Das Oberlandesgericht München hat in einem Urteil (Az.: 33 Wx 285/09) zur Frage der rückschauenden Diagnose über die Zurechnungsfähigkeit eines Patienten entschieden. Mit fortschreitender Demenz sind Rückschlüsse auf die Gesundheit zu einem früheren Zeitpunkt kaum möglich. Was bedeutet dies für eine Vertretungsvollmacht bei Demenz?
Willensbildung trotz Demenz?
Demenzerkrankungen halten besonders schwere Herausforderungen für Fragen der Willensfähigkeit von Patienten bereit. Zwar darf jeder Mensch prinzipiell zu jedem Zeitpunkt seinen Willen bezüglich wichtiger Gesundheitsfragen äußern. Doch wie im Falle einer Demenzerkrankung, ist es manchmal schwer zu beurteilen, wie verbindlich diese Willensäußerung ist. Noch schwerer wird es, wenn der Patient seinen Willen mehrfach ändert.
Geschwisterstreit bei Betreuung
Im zugrundeliegenden Fall hatte eine Frau eine Vollmacht erteilt. Sie hatte verfügt, dass ihre beiden Kinder im Falle ihrer Willensunfähigkeit zu ihren Betreuern berufen werden sollen. In der späteren, zweiten Version wurde die Tochter zur alleinigen Betreuerin ernannt. Da Geschwister zerstritten waren, misstrauten sie einander insbesondere im Hinblick auf die kommenden Erbschaftsfragen.
Der Sohn, der sich durch die Betreuungstätigkeit seiner Schwester benachteilig sah, erhob Widerspruch gegen die Wirksamkeit der zweiten Vollmacht. Statt der Schwester sollte seiner Meinung nach ein unabhängiger Betreuer ernannt werden, da die zerstrittenen Geschwister nicht als gemeinsame Betreuer in Frage kämen.
Widerspruch gegen Vollmachtsänderung
Den Widerspruch gegen die Änderung der Vollmacht begründete er damit, dass die Mutter, die fraglos zum Zeitpunkt des Widerspruchs an fortschreitender Demenz litt. Sie war auch früher schon, nämlich bei der Erteilung der zweiten Vollmacht, nicht mehr zurechnungsfähig gewesen. Das Gericht entschied jedoch gegen den erhobenen Widerspruch bezüglich der Vertretungsvollmacht bei Demenz.
Geschäftsfähigkeit trotz Demenz?
Die Gültigkeit einer erteilten Vollmacht sei nicht allein durch eine später festgestellte, fortschreitende Demenz außer Kraft gesetzt. Zwar ließe sich nicht hinreichend nachweisen, ob die Patientin zum Zeitpunkt der Änderung der Vollmacht geschäftsfähig war, denn der anwesende Notar verfüge nicht über hinlängliche medizinische Kenntnisse, aber auch die zurückliegende Geschäftsunfähigkeit ließe sich nicht mehr beweisen. Wichtig sei jedoch, dass alle zum Zeitpunkt der Vollmachtsänderung Anwesenden von der Geschäftsfähigkeit überzeugt waren.
Da die bestellte Tochter als Betreuerin in Frage kommt, gäbe es keinen Grund, einen Dritten mit dieser Aufgabe zu betreuen. Lediglich für die Erbangelegenheiten der Tochter sei ein Betreuer erforderlich, da sie nicht gleichzeitig bei der Wahrnehmung eigener Interessen sowie in Vertretung der Betroffenen tätig wein könne.