Laut Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB) das Gericht einen Betreuer nur dann bestellen, wenn der Bevollmächtigte des Betroffenen dessen Angelegenheiten nicht wahrnehmen kann (siehe § 1896 BGB). Vorsorgevollmacht und rechtliche Betreuung schließen sich damit oft aus. Doch unter welchen Umständen gibt es eine Betreuung trotz Vorsorgevollmacht?
In der Regel ist eine Vorsorgevollmacht so formuliert, dass der Bevollmächtigte alle Entscheidungen, ob in vermögensrechtlicher oder medizinischer Sicht, für den Vollmachtgeber treffen kann.
Vorsorgebevollmächtigter ersetzt den Betreuer
Generell bestellt man keinen Betreuer mehr, wenn eine rechtswirksame Vorsorgevollmacht vorliegt. Zweifel daran, dass der Vollmachtgeber beim Ausstellen der Vollmacht uneingeschränkt seinen Willen ausüben konnte, können jedoch auftreten.
Eine Vorsorgevollmacht und rechtliche Betreuung schließen sich nicht aus, wenn ein Gericht den Bevollmächtigten für ungeeignet hält. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich bereits häufig mit der Frage beschäftigt, wann ein Gericht die Vollmacht entziehen kann.
Kontrollbetreuer prüft Bevollmächtigung
Voraussetzungen für die Anordnung der Betreuung trotz Vorsorgevollmacht sind:
- Eine Betreuung wird beim Betreuungsgericht von außen angeregt.
- Die betroffene Person ist aufgrund des gesundheitlichen Zustands betreuungsbedürftig.
- Es liegen konkrete Anhaltspunkte vor, dass der oder die Bevollmächtigte die Vollmacht nicht im Interesse des Vollmachtgebers ausführt.
Betreuung trotz Vollmacht ist ultima ratio
Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Bevollmächtigte nicht geeignet ist, wären beispielsweise, wenn der Vorsorgebevollmächtigte Rechtsgeschäfte zu den eigenen Gunsten abschließt (siehe BGH, Az. XII ZB 177/15). In diesem Fall muss ein Kontrollbetreuer zur Prüfung berufen werden, der den Aufgabenkreis “Widerruf einer Vorsorgevollmacht” hat. Aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes muss der Kontrollbetreuer zunächst behebbare Mängel bei der Vollmachtsausübung feststellen. Er kann dann den Versuch unternehmen, positiv auf den Bevollmächtigten einzuwirken, indem er beispielsweise Auskunft gibt und die Rechnungslegung erläutert. Erst wenn solche Maßnahmen fehlschlagen oder aufgrund feststehender Tatsachen mit hinreichender Sicherheit den Bevollmächtigten als ungeeignet erscheinen lassen, ist die Ermächtigung zum Widerruf der Vollmacht – als ultima ratio – verhältnismäßig. Entscheidend ist dabei, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststeht, dass das Wohl des bzw. der Betroffenen in der Zukunft erheblich verletzt werden würde.
Steht für das Gericht allerdings fest, dass sich der Bevollmächtigte unredlich verhalten hat, kann es auch bei wirksam erstellter Vorsorgevollmacht eine Betreuung anordnen. In einem vom BGH entschiedenen Fall hatte ein Bevollmächtigter versucht, 15.000 EUR sowie weitere kleinere Beträge vom Konto des Vollmachtgebers auf sein eigenes Konto zu überweisen (Az. XII ZB 584/10). Eine ausreichende Erklärung über die geplante Verwendung der Gelder konnte er nicht geben. Solche Handlungen reichten den Richtern, um auf einen Missbrauch der Vollmacht zu schließen.
Krankheit des Betroffenen ist zu berücksichtigen
Bei der Prüfung des Bevollmächtigten muss auch berücksichtigt werden, dass die Meinung des Betroffenen zwar gehört werden muss, jedoch immer unter dem Aspekt der vorliegenden Krankheit. Im Zusammenhang mit Alzheimer und Demenz kommt es beispielsweise teilweise zu schnellen Meinungsänderungen und impulsiven Aussagen. Der Kontrollbetreuer muss dann ggf. mithilfe von ärztlichen Sachverständigen näher prüfen, wie der Wunsch nach Entzug der Vollmacht zu werten ist.