Ein Arbeitnehmer, der sich Überstunden auszahlen lassen wollte, musste bisher die Anordnung der Überstunden beweisen. Die Frage der Beweislast ist im Zusammenhang mit dem sogenannten Stechuhr-Urteil des EuGH neu diskutiert worden. Denn mit dem Stechuhr-Urteil hatten die Richter am EuGH im Jahr 2019 entschieden, dass Arbeitgeber dazu verpflichtet sind, ein Zeiterfassungssystem im Betrieb einzuführen. Hat die Zeiterfassung Auswirkungen auf die Beweislast bei Überstunden?
Arbeitnehmern ist generell immer zu empfehlen, sich vom Arbeitgeber die Anordnung von Überstunden schriftlich geben zu lassen, sofern dies möglich ist.
Beweislast für Überstunden bleibt beim Arbeitnehmer
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat die Frage der Beweislast neu geprüft. Die Richter am BAG kamen zu dem Schluss, dass die generelle Pflicht zur Einführung von Zeiterfassungssystemen durch Arbeitgeber keinerlei Auswirkungen auf die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast bei Überstunden habe (Az. 5 AZR 359/21). Denn Voraussetzung dafür, dass der Arbeitgeber Überstunden auszahlen muss, ist immer, dass diese vom Arbeitgeber angeordnet oder nachträglich gebilligt wurden. Die Tatsache, dass ein Arbeitnehmer über die normale Arbeitszeit hinaus am Arbeitsplatz war, begründet eben gerade keinen Vergütungsanspruch. Erfasste Arbeitszeit sei auch nach der Rechtsprechung des EuGH nicht automatisch zu vergüten.
Wann muss der Arbeitgeber Überstunden auszahlen?
Arbeitnehmer und Arbeitgeber müssen sich also nach dem Urteil des BAG nicht umstellen. Die bisherigen Regelungen zur Darlegungs- und Beweislast bei der Überstundenvergütung in Deutschland gelten unverändert weiter.
Im Einzelnen bedeutet das: Wenn Arbeitnehmer die Vergütung von Überstunden einfordern wollen müssen sie Belege liefern über
- die Dauer der Überstunden
- die Anordnung oder nachträgliche Genehmigung der Überstunden.
Wer länger im Büro bleibt, weil er sein Arbeitspensum nicht schafft, darf also nicht automatisch davon ausgehen, dass er die Zeit vergütet bekommt. Laut den vom BAG erarbeiteten Grundsätzen muss der Arbeitgeber die längere Arbeitszeit
- ausdrücklich anordnen oder
- nachträglich billigen oder
- dulden.
Es ist also nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber ausdrücklich die Überstunden direkt anordnet. Eine Billigung von Überstunden besteht beispielsweise auch dann, wenn der Arbeitgeber die Erledigung von Aufgaben verlangt, die innerhalb der normalen Arbeitszeiten nicht möglich ist. Im Streitfall wird der Nachweis zu führen sein, ob der Arbeitnehmer im vertraglich vereinbarten Arbeitstempo gearbeitet hat. In Eilfällen, kann der Arbeitnehmer von einer Duldung der Überstunden ausgehen.
Wie kann man die Anordnung von Überstunden beweisen?
In vielen Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträgen, sind nähere Regelungen zum Thema Vergütung von Überstunden enthalten. Doch was, wenn dies nicht der Fall ist? In dem Fall muss der Arbeitnehmer vortragen, wer wann auf welche Weise wie viele Überstunden angeordnet hat. Für eine konkludente Anordnung von Überstunden muss der Arbeitnehmer darlegen, dass eine bestimmte angewiesene Arbeit innerhalb der Normalarbeitszeit nicht zu leisten war. Oder, dass ihm zur Erledigung der aufgetragenen Arbeiten ein bestimmter Zeitrahmen vorgegeben war, der nur durch die Leistung von Überstunden eingehalten werden konnte. Beruft sich der Arbeitnehmer auf einen Eilfall, dann muss er darlegen, dass er mit einer Billigung der Überstunden ausgehen durfte.