Eine gerechtfertigte Beschwerde über den Chef oder schon eine Beleidigung? Die Grenzen zwischen freier Meinungsäußerung und einer Äußerung, die arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann, sind oft fließend. Um Arbeitnehmer, die von Ihren Grundrechten Gebrauch machen vor ungerechtfertigten oder ungerechten Repressalien oder Schikanen existiert in Deutschland das sogenannte Maßregelungsverbot.
Wie hat sich das Maßregelungsverbot entwickelt?
Das Grundsätze zum Verbot der Maßregelung wurden durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) entwickelt und später durch § 612a BGB gestärkt. Es basiert auf verschiedenen rechtlichen Grundlagen, darunter das deutsche Arbeitsrecht, das Verfassungsrecht sowie europäische und internationale Vorgaben. Das Maßregelungsverbot ist ein wichtiger Bestandteil des Arbeitsrechts in Deutschland, da es sicherstellt, dass Arbeitnehmer ihre Rechte ohne Furcht vor Repressalien durch den Arbeitgeber wahrnehmen können.
Was ist geschützt?
Der zentraler Grundsatz, der Arbeitnehmer vor ungerechtfertigten arbeitsrechtlichen Nachteilen schützt. Es besagt, dass ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer keine Nachteile wie etwa eine Kündigung oder Abmahnung zufügen darf, weil dieser seine Rechte als Arbeitnehmer wahrgenommen hat, z.B. indem er eine Beschwerde eingereicht hat oder an einer Betriebsratssitzung oder einem rechtmäßigen Streit teilgenommen hat.
Das Maßregelungsverbot ist in § 612a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verankert und gilt auch im Arbeitsrecht. Nach dieser Vorschrift ist es unzulässig, einen Arbeitnehmer zu benachteiligen, weil dieser ein ihm zustehendes Recht ausgeübt hat oder ausüben will.
Welchen Anspruch hat der Arbeitnehmer bei Verstoß gegen das Maßregelungsverbot?
Verstößt ein Arbeitgeber gegen das Maßregelungsverbot, hat der betroffene Arbeitnehmer das Recht, dagegen rechtlich vorzugehen, indem er z.B. eine Entschädigung oder Schadensersatz verlangt. Auch im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens kann sich der Arbeitnehmer auf eine willkürliche Maßregelung berufen.
Beispiel: Ein befristet eingestellter Arbeitnehmer engagiert sich in der Gewerkschaft und äußert sich in einer Betriebsversammlung kritisch über den Arbeitsplatzabbau im Unternehmen. Daraufhin wird sein befristeter Vertrag nicht entfristet, wohl aber der von mehreren anderen Arbeitnehmern, die zeitgleich mit ihm eingestellt wurden. Das BAG hat in so einem Fall entschieden, dass der Arbeitnehmer aus dem Verstoß gegen § 612 a BGB zwar keinen Anspruch auf den Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages herleiten kann. Er könnte jedoch Schadensersatz auf Grundlage des § 15 Abs. 6 AGG verlangen. (BAG, Az.7 AZR 150/10)
So gehen Sie bei einem Verstoß gegen das Maßregelungsverbot vor
Wenn Sie der Meinung sind, dass eine arbeitsrechtliche Maßnahme willkürlich und ungerechtfertigt ist, sollten Sie wie folgt vorgehen:
- Dokumentation: Um im Fall eines Rechtsstreits die Vorwürfe belegen zu können, sollten Sie den bzw. die Vorfälle schriftlich dokumentieren. Notieren Sie beispielsweise Datum, Ort, Zeugen und eine Beschreibung des Vorfalls, bei dem gegen das Maßregelungsverbot verstoßen wurde. Es können auch E-Mails, Schriftverkehr oder andere Unterlagen relevant sein.
- Internes Vorgehen: Arbeitnehmer sollten zunächst versuchen, das Problem intern mit ihrem Arbeitgeber zu lösen, indem sie das Gespräch mit Vorgesetzten, der Personalabteilung oder dem Betriebsrat suchen. Hierbei kann es hilfreich sein, sich zunächst beim Betriebsrat beraten zu lassen, bevor man sich an den Arbeitgeber wendet.
- Rechtliche Beratung: Wenn der Versuch der internen Regelung keinen Erfolg bringt, sollten Sie sich an einen Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin für Arbeitsrecht wenden, um die nächsten Schritte zu planen.
- Geltendmachung von Ansprüchen: Wenn ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot vorliegt, können Arbeitnehmer Ansprüche geltend machen. Dies können beispielsweise Ansprüche auf Schadensersatz, Unterlassung oder Wiedereinstellung sein, je nachdem welche Maßnahme ergriffen wurde und welche Rechtsverletzung vorliegt. Achtung: Viele Arbeitsverträge und Tarifverträge sehenVerfallsfristen für die Geltendmachung von Ansprüchen vor.
- Klage vor dem Arbeitsgericht: Falls eine außergerichtliche Einigung nicht erzielt werden kann, kann der Arbeitnehmer eine Klage vor dem Arbeitsgericht einreichen. Das Arbeitsgericht ist zuständig für arbeitsrechtliche Streitigkeiten und kann über die Rechtmäßigkeit einer Maßregelung entscheiden und gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen ergreifen.